Das PACS 2-Gen

Wie schon gesagt, hat uns eine Genanalyse die genaue Ursache für Annis Krampfanfälle etwas näher erklären können. Nachdem unsere behandelnde Ärztin im Krankenhaus die Ergebnisse vom Labor erhalten hatte, kamen wir im Februar wieder zu einer Untersuchung in die Sozialpädiatrische Ambulanz. Die Untersuchung lief wie schon im vorigen Herbst katastrophal, Anni hatte zuvor ein EEG gehabt und dafür Melatonin bekommen, ein körpereigenes Schlafhormon. Logischerweise war sie daher nach 45 Minuten EEG-Ableitung nicht erholt sondern todmüde und sollte dann in der Untersuchung herumturnen und zeigen, was sie so konnte. Das war nach Meinung der Ärztin sowie der Physiotherapeutin im SPZ nicht besonders viel. Zum Einen kam das daher, dass sie müde ujnd entsprechend sauer war, als man sie ausgezogen unter eine Neonlampe setzte und unserer Meinung nach zum Einen daher, dass das Medikament, das im Herbst neu eingeführt wurde, sie sehr träge machte. Man weiß übrigens auch, dass das Valproat vor Allem bei Kleinkindern diese Wirkung haben kann. Dieser Meinung war bis dato auch die Ärztin im Krankenhaus immer gewesen. Nur jetzt hatte sie ja die Ergebnisse des Gentests und da hatte sie recherchiert und war wohl etwas umgeschwenkt -plötzlich war die Trägheit und das verhältnismäßig langsame Fortschreiten in der Entwicklung eine Folge von Annis Krankheit. Aber dazu später mehr. Es war schon so… Weder krabbelte Anni zu diesem Zeitpunkt (sie war da genau 11 Monate alt), noch war sie übermäßig interessiert an altersgerechtem Spielzeug oder war besonders aufgeweckt. Und während dieser Untersuchung schon mal gleich gar nicht. Wir waren zu diesem Zeitpunkt trotzdem nicht übertrieben besorgt, denn wir kannten Anni doch. Sie hatte von Anfang an diese wachen, interessiert blickenden Augen und vom Krabbeln mal abgesehen, einen ganz normalen Bewegungsablauf -nur, dass man einfach das Gefühl hatte, alles strenge sie mehr an, als andere Kinder. Da die Entwicklung bis zur Einführung des Valproats völlig normal verlief, war für uns (wie auch für unsere Kinderärztin und die Physiotherapeutin, zu der wir seit Dezember einmal wöchentlich mit Anni gingen) das Medikament der Auslöser für die Schlappheit und die etwas verzögerte körperliche Entwicklung beziehungsweise des Bewegungsdrangs. Vielleicht ist es sogar ganz gut, dass ich mir mit diesem Text etwas Zeit gelassen habe… Mittlerweile ist Anni wieder auf der Aufholspur. Aber dazu kommen wir in einem anderen Text. Zuerst mehr zum Krankheitsbild. Nach der Untersuchung, die uns schon ziemlich runtergezogen hatte, kam dann noch das Gespräch. Wir wurden über die Genveränderung informiert und die Eckpunkte des Krankheitsbildes. Das lief wirklich blöd ab, man kann es nicht anders sagen. Eigentlich ist die behandelnde Ärztin wirklich in Ordnung und man merkt, wie sehr ihre kleinen Patienten am Herzen liegen. Bloß an diesem Tag hatte sie wohl ein bisschen den Takt verloren, ich meine, mit Eltern, die ohnehin schon in Sorge sind, sollte man vielleicht ein bisschen behutsamer umgehen. Natürlich, wir waren auch dünnhäutig. Niemand möchte so etwas hören und dennoch musste sie uns ja informieren. Aber ein bisschen weniger Dramatik hätte es irgendwie auch getan. Jedenfalls wurde uns eine Studie vor den Latz geknallt, die mehr oder weniger sagt, dass Kinder mit dieser Form der Epilepsie schwere Entwicklungsverzögerungen bis hin zu einer kaum merklichen Entwicklung geistig und körperlich zu rechnen haben. Das ist natürlich eine sehr schlimme Diagnose, vor allem wenn einem gesagt wird, dass das eigene Kind vielleicht nie ein eigenständiges Leben führen können wird. Wir waren wirklich ziemlich geknickt nach diesem Gespräch. Ich hatte mir die Unterlagen über das PACS2-Gen mitgeben lassen, hatte aber die nächsten Tage keinen Kopf, mich selbst nochmal einzulesen. Bis ich mich selber an die Recherche machen konnte, hatten wir ein Gespräch mit unserer wunderbaren Kinderärztin und einen Termin bei unserer Physiotherapeutin. Beide haben uns eigentlich zu verstehen gegeben, dass man so eine Prognose definitiv noch nicht stellen könne. Anni war elf Monate, sie war soweit altersgerecht entwickelt, aufmerksam und vor allem weiterhin sehr, sehr fröhlich. Wir haben also versucht, die Pferde nicht frühzeitig scheuzumachen. Unsere Kinderärztin hatte mittlerweile im Krankehaus angerufen und wollte selbst nochmal hören, wie die Ärztin aus dem SPZ die Situation einschätzte. Die war etwas zurückgerudert und außerdem wohl sehr erfreut zu hören, dass die Kinderärztin Annis Entwicklungsstand etwas anders und vor allem weniger kritisch einschätzte. Nur, uns half das natürlich nicht weiter. Also versuchte ich mich einzulesen und stellte zuerst einmal fest, dass es tatsächlich so gut wie NICHTS über diese Genmutation, die Studie und das Krankheitsbild zu finden gab. Was ich aber sagen kann, ist:

1. Es gibt keine Kontrollgruppe

Kinder mit Krampfanfällen, bei denen das erste Anti-Epileptika anschlägt, werden im Normalfall überhaupt nicht auf ein verantwortliches Gen getestet, es sei denn es wird von den Eltern verlangt. Genausowenig weiß man, ob gesunde Menschen ohne Krampfanfälle ebenfalls diese Genveränderung in sich tragen.

2. Die Kinder in der Studie sind immer noch Kinder

Wir wissen überhaupt nicht, wie der Entwicklungsstand der Kinder ist, wenn sie älter sind oder man vielleicht das für sie richtige Medikament findet und ständige Krämpfe sie nicht immer wieder aus der Bahn werfen. Da die Studie erst wenige Jahre alt ist, kann man zu dem Fortgang der Entwicklung oder der Krankheit selbst, noch nichts sagen.

3. Es gibt bisher nur 14 Kinder (!!!!) von deren Erkrankung mit dem PACS2-Gen man weiß

Bei 14 Kindern ist es etwas schwierig, wenn der Arzt einem sagt, 90 % der Betroffenen hätten verschiedene Probleme. Es scheint einfach nicht besonders aussagekräftig zumal die Tatsache, dass ein Kind etwas später spricht oder läuft als andere, noch nicht unbedingt bedeuten muss, dass für immer Hopfen und Malz verloren ist!

Das alles ist dann doch eher schwammig. Natürlich sollte man dennoch nicht unter den Teppich kehren, welche Erkrankung vorliegt und wahrscheinlich ist es auch gut, dass man weiß, was einen erwarten kann. Ebenso ist es positiv, dass wir an so gute Vorsorge angebunden sind, dass man etwaigen Defiziten früh entgegenwirken kann (auch wenn durch die Krankheit vielleicht das Sprachzentrum geschädigt wäre, kann man bei vielen Kindern noch einiges möglich machen durch Logopädie oder frühe Sozialerziehung etc.). Ein weiterer speziell in unserem Fall sehr wichtiger Punkt ist, dass Annis Kleinhirn auf beiden bisher gemachten MRT´s unauffällig war. Die Veränderung am Kleinhirn ist ebenfalls bei einigen Kindern in der Studie ein Indiz für die Entwicklungsstörungen. Zu wissen, dass das bei Anni nicht der Fall ist, ist natürlich erleichternd, dennoch ist die Gefahr leider nicht gebannt. Auch viele schlimme Krampfanfälle könnten zu Veränderungen im Gehirn führen, theoretisch. Es wird allerdings meistens darauf verwiesen, dass das sehr selten der Fall sei, vor allem bei Kindern. Dafür müsste man schon während des Erwachsenwerdens extrem viele, sehr sehr lange andauernde Krampfanfälle haben. Das Gehirn erholt sich glücklicherweise im Normalfall gut und schnell wieder von diesen Störungen. Dennoch, die Krampanfälle richten wahrscheinlich insgesamt mehr Schaden an, als kleine Einschränkungen durch ein bestimmtes Medikament. Immerhin wirkt es und das ist momentan sehr wichtig, die lange Phase ohne Anfall hat sehr viel Erholung geschaffen.

1 thought on “Das PACS 2-Gen

  1. Hallo Ihr Lieben,
    Meine Tochter Mirja ist 12 Jahre alt und seit 48 Std weiß ich das sie das PACS2 Syndrom hat!
    Wir haben einen langen Weg hinter uns, aber Mirja hat sich toll entwickelt.
    Vielleicht wollen wir uns austauschen….
    Liebe Grüße Anja Gley

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