Medikamentöse Therapie Teil II
Während der Einführung des Medikaments Orfiril (Wirkstoff Valproat) hatte Anni kurz vor Erreichen der Zieldosis Ende Oktober einen weiteren Krampfanfall. Er kam wie aus dem Nichts, mitten an einem schönen Tag, an dem sie komplett „normal“ war. Es war der zweite Tag nach einer weiteren Aufdosierung des neuen Medikaments und sie war dabei sich davon zu erholen.
Die ersten anderthalb bis zwei Tage nach Erhöhen der Dosis sind für die Kleine immer etwas anstrengend.
Sie hat mit Müdigkeit zu kämpfen und ist nicht so fröhlich und aufgeweckt wie sonst.
An diesem Sonntag merkte man ihr zwar noch an, dass sie etwas träger war als meist, aber sie war bestens gelaunt und spielte fröhlich in ihrem Zimmer mit mir.
Dieser Krampfanfall war der erste, bei dem ich das Gefühl hatte, ihn kommen zu sehen. Der Anfall selbst kam aber wirklich total unerwartet, zumal wir bei der erwünschten Zieldosis angelangt waren. Wir fühlten uns dementsprechend sicher.
Aber von einer Minute auf die andere hatte ich das Gefühl, Anni sei irgendwie abwesend. Ein oder zweimal waren ihre Augen hin und hergeflackert wie ich es nicht von ihr kenne. Wäre man nicht hypersensibilisiert durch die ständig lauernde Gefahr, würde einem so etwas vermutlich überhaupt nicht merkwürdig vorkommen.
Ich habe ihren Namen zweimal gesagt und sie hat nicht reagiert, schaute ein bisschen durch mich hindurch, als ich mit meinem Gesicht in ihr Blickfeld gerutscht bin. Auf das Anbieten ihrer Lieblingsrassel reagierte sie nicht. Sie war aber trotzdem nicht total abwesend, es ist schwer zu beschreiben. Bei einem älteren Kind hätte ich wahrscheinlich gedacht, es träume vor sich hin.
Ihr Atem ging völlig normal. Was ich hier beschreibe ging maximal zehn Sekunden.
Aber ich wusste in dem Moment, als ich das erste Mal dieses seltsame Flackern ihrer Augen gesehen habe, dass irgendetwas kommen würde. Wirklich nicht gut zu erklären, -ein unbestimmtes Gefühl, dass etwas gerade anders war als normalerweise.
Ich habe sie hochgenommen und nochmal etwas lauter angesprochen und in dem Moment ging es schon los. Sie hat in gewohntem Bewegungsablauf ihren Kopf etwas gedreht, die Augen nach oben, die Arme leicht nach vorne, die Händchen gefäustelt.
Der Krampf dauerte wie meist knappe zwei Minuten.
Wir mussten an diesem Tag glücklicherweise nicht im Krankenhaus antreten und konnten ihr den Stress ersparen. Da der Krampfanfall nicht schlimmer als die Vorangegangenen war und wir noch in der Aufdosierungsphase des Valproat waren, würde so oder so vorerst nichts unternommen, wurde uns am Telefon gesagt.
Also warten wir nun ab, wie es weiterläuft. Valproat ist ein sehr altes, erprobtes und gut verträgliches Medikament, sollte man aber von den Nebenwirkungen betroffen sein, sind diese ziemlich schwerwiegend. Um sicherzugehen, dass Anni keine Leber- und/ oder Nierenschäden davonträgt, müssen wir alle sechs Wochen zur Blutbild- sowie Spiegelkontrolle. Das macht unsere Kinderärztin. Wir sind auf der Zieldosis seit letztem Freitag und morgen (6. November 2018) werden wir zum ersten Mal zur Blutabnahme gehen.